Einführung
Geschichte
Entdeckung
Entwicklung
Kristalle
Kristallographie
Piezo-
elektrizität
Seignettesalz-
kristalle
Kristallzucht
Theorie
Der Piezoeffekt am Beispiel des
Quarzkristalls
Piezo-
elektrische Grundsätze
Versuche
Vorüber-
legungen
Versuchs-
aufbau
Generelle
Probleme
1.Versuchs-
durchgang
2.Versuchs-
durchgang
Schluss

1. Der Piezoeffekt am Beispiel des Quarzkristalls


Als direkten piezoelektrischen Effekt bezeichnet man die Eigenschaft piezoelektrischer Kristalle oder Keramiken, bei mechanischer Deformation elektrische Ladung auf ihrer Oberfläche abzuscheiden. Umgekehrt verformen sich derartige Kristalle beim Anlegen eines elektrischen Feldes, was als inverser oder reziproker Piezoeffekt bezeichnet wird.
Wie in Abbildung 16 ersichtlich ist, kann man bei Quarzkristallen drei polare Achsen, die hier mit X1, X2 und X3 bezeichnet sind, feststellen. Außerdem sind 4 nichtpolare Achsen Y1, Y2, Y3 und Z vorhanden. Die Y-Achsen sind jeweils senkrecht zu einer X-Achse und heißen neutrale Achsen. Die Z-Achse, die senkrecht zu allen X-Achsen ist, wird optische Achse genannt.
Abb. 16: Quarzkristall und vereinfachte Strukturzelle des Quarzes

Die chemische Formel von Quarz ist SiO2, in Abbildung 16 werden zwei benachbarte Sauerstoffionen durch einen blauen Kreis und ein Siliziumion durch einen roten Kreis dargestellt. Da jedem Si-Ion vier positive und jedem O-Ion zwei negative Einheitsladungen zugeordnet werden und der negative mit dem positiven Ladungsschwerpunkt zusammen fällt, ist die Zelle nach außen elektrisch neutral. Der direkte Piezoeffekt lässt sich in vier Klassen, die sich je nach Richtung des Drucks unterscheiden, unterteilen. Bei Druck in Richtung irgendeiner X-Achse spricht man vom longitudinalen Piezoeffekt und bei Druck in Y-Richtung vom transversalen Piezoeffekt. Bei einer Belastung in Richtung Z tritt kein Effekt auf! Entsprechend kann man auch den reziproken Piezoeffekt in 2 Kategorien unterteilen.


1.1 Longitudinaler piezoelektrischer Effekt


1.1.1 Direkter longitudinaler Effekt


Beim direkten longitudinalen Piezoeffekt verformt sich die Strukturzelle, wie in Abbildung 17 dargestellt.


Abb. 17: Verhalten der Strukturzelle bei Druck, parallel zu einer polaren Achse

Das Si-Ion 1 rückt zwischen die O-Ionen 2 und 6, die O-Ionen 4 schieben sich zwischen die Si-Ionen 3 und 5. Durch diese Ladungsverschiebungen wird auf der Oberfläche L eine negative und auf R eine positive Ladung frei. Schaltet man n Strukturzellen mechanisch und elektrisch parallel (vgl. Abbildung 18), so drückt auf jede Einzelzelle der Betrag F/n. Folglich ist die Verformung der Einzelzelle nur 1/n derjenigen, die bei Beanspruchung einer einzigen Zelle mit der Kraft F auftritt (Hookesches Gesetzes der Festigkeitslehre).

Abb. 18: Drei Strukturzellen mechanisch und elektrisch parallel geschaltet


Damit wird von jeder Zelle auch nur 1/n der Ladung erzeugt. Die Summe der einzelnen Ladungen ist dann wieder gleich der ursprünglichen Ladung bei Belastung einer Zelle mit F. Die freiwerdende Ladung ist bei gleich bleibender Kraft also unabhängig vom Querschnitt des Quarzes.
Schaltet man mehrere Strukturzellen mechanisch hintereinander und lässt die Kraft F an den beiden äußersten Zellen in Richtung der Hintereinanderschaltung angreifen (vgl. Abbildung 19), so kommen für die Ladungserzeugung nur die beiden äußersten Zellen in Frage, da sich die Ladungen im Inneren der Kette aufheben.

Abb. 19: Drei Strukturzellen mechanisch und elektrisch hintereinander geschaltet

Daraus ergibt sich, dass beim direkten longitudinalen Piezoeffekt die erzeugte Ladung von allen Abmessungen des Quarzes unabhängig ist. Damit ist die Ladung Qlg proportional zur Kraft F:

Qlg ~ F

Um eine große Ladung zu erzielen, macht es also keinen Sinn möglichst große Kristalle zu verwenden, vielmehr muss man mehrere Kristalle mechanisch in Reihe und elektrisch parallel schalten.

 

1.1.2 Reziproker longitudinaler Effekt

Bei diesem Effekt wird das elektrische Feld senkrecht zu einer X-Achse, hier die X1-Achse angelegt, die linke Seite wird mit der Kathode verbunden, die rechte mit der Anode. Nun wird das Si-Ion 1 von L angezogen und die O-Ionen 4 werden von R angezogen. Die beiden Si-Ionen 3 und 4 werden von R abgestoßen, die vier O-Ionen von L. Dadurch erfolgt eine Ausdehnung in X1-Richtung und eine Verkürzung der Länge in Y1-Richtung. Schaltet man n Strukturzellen mechanisch und elektrisch parallel, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Änderung der Länge in Richtung der der X1-Achse unabhängig von der Zahl der parallel geschalteten Zellen ist. Auch bei der mechanischen und elektrischen Reihung von Strukturzellen ist eine solche Abhängigkeit nicht erkennbar, es gilt also:

X ~ U


1.2 Transversaler piezoelektrischer Effekt

1.2.1 Direkter transversaler Effekt

Nun erfolgt der Druck in Richtung einer Y-Achse, entsprechend Abbildung 20 lädt sich dieses Mal die Oberfläche L positiv und die Oberfläche R negativ auf. Diese Erscheinung beschreibt den transversalen piezoelektrischen Effekt.

Abb. 20: Verhalten der Strukturzelle bei Druck, parallel zu einer neutralen Achse

Bei diesem Effekt werden auch wieder je mehr Ladungen frei, desto mehr Zellen man mechanisch hintereinander und elektrisch parallel schaltet. Bei Betrachtung von Abbildung 23 ist jedoch zu erkennen, dass hier im Gegensatz zum longitudinalen Effekt die Ausmaße des Kristalls durchaus eine Rolle spielen. Die Ladung wird umso mehr, je größer die Abmessungen in Y-Richtung und je kleiner die Abmessungen in X-Richtung sind. Die erzeugte Ladung ist demnach proportional zum Verhältnis ly/lx:

Qtr ~ F ly/lx ~ F Ax/Ay

Abb. 21: Drei Struckturzellen mechanisch hintereinander und elektrisch parallel geschaltet

1.2.2 Reziproker transversaler Effekt


Beim reziproken transversalen Piezoeffekt wird L mit der Anode verbunden und R mit der Kathode, es erfolgt eine Ausdehnung in Y-Richtung und eine Verkürzung in X-Richtung, entsprechend zum direkten Effekt ist hier die Ausdehnung in Y-Richtung von den Abmessungen des Quarzes abhängig, es gilt:

Y ~ U ly/lx ~ Ax/Ay

 

1.3 Piezoelektrische Konstanten


Beim Quarzkristall, haben sich die Gleichungen Qlg ~ F und Qtr ~ F Ax/Ay für den longitudinalen und transversalen Piezoeffekt ergeben. Aufgrund der direkten Proportionalität muss es Konstanten geben, die man in die Gleichungen einsetzen kann. Um auf diese Konstanten zu kommen bedarf es komplizierter Überlegungen, die ich hier nur stark vereinfacht darstellen möchte. Für die Flächenladung Qi der Fläche Ai (Fläche mit I-Achse als Flächennormale) gilt:

[a] Qi = Ai Ii

Dieselbe Beziehung gilt auch für die Flächen Fy und Fz, wobei Ix Iy und Iz jeweils durch folgende Gleichung gegeben sind.


[b]

Bei oij handelt es sich um einen sog. Spannungstensor, er ist gegeben durch die Formel:

[c] oij = Fij/Ai

Wobei der erste Index immer die Normale der betroffenen Fläche, der zweite die Richtung der jeweiligen Komponente, z. b. der Kraft, bezeichnet. Fij und oij besitzen jeweils die gleichen Indizes, außerdem ist der erste Indizes von Fij mit dem von Ai identisch. Mit dij werden die piezoelektrischen Konstanten bezeichnet, es sind Konstanten die vom Material (auch Temperatur des Materials) abhängen und auch Null sein können. Beim Quarzkristall, sind lediglich d11, d12, d14, d25 und d26 von Null verschieden, wobei gilt:

[d]

d12 = -d11
d25 = -d14
d26 = -2d11

Folglich bekommt man für Ix, Iy und Iz folgende Gleichungen:

[e]

Ix = d11oxx - d11oyy + d14oyz
Iy = -d14ozx - 2d11oxy
Iz = 0

Damit ergeben sich nach Gleichung [a] die Ladungen Qx und Qy:

[f] Qx = Ax (d11oxx - d11oyy + d14oyz)
[g] Qy = -Ay (d14ozx + 2d11oxy)

Da beim longitudinalen, sowie beim transversalen Piezoeffekt, die Ladungen jeweils nur an den Flächen, die senkrecht zu X sind, auftreten, ist Qy hier bedeutungslos. Beim longitudinalen Piezoeffekt wirkt die Kraft Fxx auf die zur X-Richtung senkrechte Fläche in Richtung X, deshalb ist für diesen Effekt nur oxx von Belang, unter Einbeziehung von [c] ergibt sich:

[h] Qx = d11Axoxx = d11Fxx


Beim transversalen Effekt wirkt die Kraft Fyy auf die zur Y-Richtung senkrechte Fläche in Y-Richtung, es ist nur oyy von Bedeutung, man bekommt folgende Gleichung:

[i] Qx = -d11Axoyy = -d11Ax Fyy/Ay = -d11Fyy Ax/Ay = -d11Fyy ly/lx


Beim Quarzkristall lautet die Konstante für den direkten longitudinalen und transversalen Piezoeffekt also d11. Als Zahlenwert entspricht d11 etwa 2,30 · 10-10cm/V. Man muss jedoch hinzufügen, dass diese piezoelektrische Zahl stark von der Temperatur abhängt, der oben genannte Wert gilt also nur für Temperaturen um die 293K (20°C). Bei steigenden Temperaturen nimmt d11 kontinuierlich ab (siehe Abbildung 22), bis es bei 846K (573°C) schließlich null wird, bei dieser Temperatur geht der Quarz nämlich in eine andere, nicht piezoelektrische Kristallklasse über.

Abb. 22: Prozentuale Abnahme der piezoelektrischen Zahl d11 von Quarz mit steigender Temperatur

Kurve a) nach Messungen von Meurer
Kurve b) nach Messungen von Langévin

 

1.4 Schereffekt


In "Einführung in die piezoelektrische Messtechnik" von Werner Gohlke, an das ich mich in diesem Kapitel relativ angelehnt habe, wird leider nicht erwähnt, ob es beim Quarzkristall auch einen Effekt gibt, der eine Ladung an der Fläche Ay entstehen lässt. Nach Gleichung [g] müsste dies ja eigentlich so sein, da die beiden Konstanten d11 und d14 nicht null sind. Nach reiflicher Überlegung bin ich darauf gekommen, dass es sich hierbei um den so genannten piezoelektrischen Schereffekt handeln müsste. Beim Schereffekt wirkt die Kraft auf zwei parallelen Flächen mit jeweils entgegengesetzter Richtung senkrecht zur Flächennormale.
Es gibt den longitudinalen Schereffekt, wobei der Polaristionsvektor senkrecht zum Kraftvektor und zur Flächennormale steht und den transversalen Schereffekt, bei dem Flächennormale, Polaristionsvektor und Kraftvektor in einer Ebene liegen.


Abb. 23:

a)Longitudinaler Schereffekt
b) Transversaler Schereffekt
c) Longitudinaler Schereffekt


Nach [f] und [g] bekommt man nun noch folgende Gleichungen:

Qx = Ax d14 oyz = d14 Fyz Ax/Ay
Qy = - 2 Ay d11 oxy = - 2 d11 Fxy Ay/Ax
Qy = - Ay d14 ozx = - d14 Fzx Ay/Az