3. Seignettesalzkristalle
3.1 Allgemeines über Seignettesalz
Der Seignettesalzkristall ist einer der wichtigsten piezoelektrischen
Kristalle, sein Piezoeffekt ist um ein vielfaches stärker als der des
Quarzkristalls, da der Seignettesalzkristall aber meist zu weich ist,
oder andere negative Eigenschaften hat wird er selten in der Technik eingesetzt,
deshalb wird ihm im Bereich der Piezoelektrizität auch weniger Bedeutung
zugemessen als dem Quarzkristall. Ich selbst habe Seignettesalzkristalle
für meine Facharbeit gezüchtet und möchte deshalb etwas näher auf sie
eingehen. Die korrekte chemische Bezeichnung für Seignettesalz oder auch
Rochellesalz lautet Kaliumnatriumtartrat (Formel: NaKC4H4O6, 4H2O), es
wurde erstmals im Jahre 1655 von Pierre Seignette, einem Apotheker aus
La Rochelle (Frankreich) synthetisiert. Seignettesalz ist ein farbloses
Doppelsalz der Weinsteinsäure. Man kann es in Wasser sehr gut lösen, in
Alkohol aber kaum, sein Schmelzpunkt liegt zwischen 70° und 80°C. Bei
100°C verliert das Doppelsalz drei Wassermoleküle, das letzte Wassermolekül
verschwindet bei rund 135°C, bei 220°C zerfällt das Salz ganz. Die Schallgeschwindigkeit
im Seignettesalz beträgt 4000m/s, seine Bruchfestigkeit etwa 150 bis 180
kg/cm2 und seine Dichte 1,775g/cm3. Seignettesalz wird unter der Kodebezeichnung
E337 als Zusatz in Lebensmitteln verwendet, entweder als Puffer, Antioxidationsmittel,
Emulgator oder Stabilisator. Es kommt ebenfalls in der Medizin zur Anwendung,
und zwar als Mittel zur Reinigung des Darms.
3.2 Einordnung des Seignettesalzes in eine Kristallklasse
Seignettesalz hat die Eigenschaft, dass es je nach Temperatur auf zwei
verschiedene Arten kristallisieren kann. Unterhalb von 255K und oberhalb
von 297K gehört der Seignettesalzkristall dem rhombischen Kristallsystem
an, dazwischen ist er monoklin, die Kristallklasse ist jeweils rhombisch-disphenoidisch
oder monoklin-sphenoidisch. Beide Punktgruppen erfüllen die Vorrausetzungen
für Piezoelektrizität in der monoklin-sphenoidischen Kristallklasse sind
sogar die Bedingungen für Pyroelektrizität gegeben. Im Folgenden möchte
ich kurz näher auf die Eigenschaften dieser Punktgruppen eingehen. Die
rhombisch-disphenoidische Punktgruppe Das Kristallgitter im rhombischen
System besteht aus drei verschieden langen Gittervektoren a, b und c,
die jeweils senkrecht aufeinander stehn. Die rhombisch disphenoidische
Kristallklasse besitzt drei zweizählige Drehachsen, keine Spiegelebenen,
mehrer polare Achsen und natürlich kein Symmetriezentrum!
Abb. 8: rhombisch-disphenoidische Kristall
Die monoklin-sphenoidische Punktgruppe Die Gittervektoren a, b und c
im monoklinen Kristallsystem sind unterschiedlich lang, während a & c
und a & b jeweils senkrecht aufeinander stehen, schließen b & c keinen
rechten Winkel ein! In der monoklin-sphenoidischen Punktgruppe ist eine
Drehachse vorhanden, die gleichzeitig eine polare Achse ist. Diese Kristallklasse
weißt keine Spiegelebenen und logischerweise auch kein Symmetriezentrum
auf!
Abb. 9: monoklin-sphenoidischer Kristall
Innerhalb einer Kristallklasse treten viele verschiedene Körperformen
auf. Sie besitzen alle die Symmetrieelemente der Kristallklasse, weisen
aber infolge von Flächen in allgemeiner und spezieller Lage ein unterschiedliches
Aussehen auf. Man kann also nicht davon ausgehen, dass alle Kristalle
einer Kristallklasse gleich oder ähnlich aussehen, vielmehr besitzen die
Formen einzelner Punktgruppen eine sehr große Variationsbreite.Beispielsweise
ist der rhombisch-disphenoidische Kristall, der in Abbildung 10 dargestellt
wird, nur eine spezielle Form des rhombisch-disphenoidischen Kristallsystems
und gleicht nur in sehr abstrakter Weise der des Seignettesalzkristalles!
Im Internet bin ich auf eine Homepage gestoßen, die die große Vielfältigkeit
der einzelnen Oberflächenformen einer Punktgruppe sehr schön verdeutlicht.
Die Seite enthält ein Programm, dass es einem ermöglicht, seinen eigenen
Kristallformen zu entwerfen, man muss lediglich eine Kristallklasse wählen,
und kann dann einzelne Flächen hinzufügen oder wegnehmen. Abschließend
kann man sagen, dass es einem Leihen mit beschränkten Mitteln aufgrund
der großen Variationsbreite von Kristallformen, nicht möglich ist, Kristalle
allein nach ihrem Aussehen einer Kristallklasse zuzuordnen. Beispielsweise,
kann man beim Seignettesalzkristall beim Wechsel vom monoklinen zum rhombischen
Kristallsystem, rein äußerlich keinerlei Änderung erkennen, lediglich
durch die Änderung seiner piezo- und vor allem pyroelektrischen Eigenschaften
kann man feststellen, dass der Kristall von einer Punktgruppe mit nur
einer polaren Achse in eine mit mehreren polaren Achsen übergegangen sein
muss!
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